BLOG POST #3 - GASTBEITRAG

Segen oder Albtraum? Wie sich die Sicht der Millenials zum Thema Home-Office in Zeiten von Corona gewandelt hat

Millenials stoßen bei älteren Generationen häufig auf Unverständnis. Was wir als kritisch ansehen, wird gerne als Luxusproblem abgetan. Während unsere Eltern stolz auf ihre Statussymbole sind, verlieren sie für uns zunehmend an Bedeutung. Wir nehmen uns lieber Zeit für uns selbst. Wir akzeptieren die Welt, in der wir groß geworden sind, nicht einfach so wie sie ist. Wir hinterfragen sie. Wir wollen sie verstehen und wir wollen sie zum Besseren verändern (Deloitte, 2019). Und das spiegelt sich auch in unseren Erwartungen an die Arbeitswelt wieder. Wir brauchen keine steilen Karrieren oder ein großes Einkommen, um glücklich zu sein. Ein Job, in dem wir uns selbst verwirklichen können, in dem Teilzeitmodelle und Home-Office keine leeren Versprechungen sind, reicht völlig aus.

“We work to live, and don’t live to work”

Doch was passiert mit diesen Ansichten, wenn sie auf die Probe gestellt werden? Unsere Generation hat sich für mehr Freiheit und Selbstbestimmung auch im Arbeitsalltag eingesetzt. Wir haben uns für flexible Arbeitszeiten und Home-Office ausgesprochen, weil uns unsere Work-Life-Balance wichtig ist. Und jetzt von heute auf morgen arbeiten wir tatsächlich von Zuhause – 5 Tage die Woche, 8 Stunden am Tag, schon in der vierten Woche.

 

Früher konnte ich die Position der Home-Office Gegner nie nachvollziehen. Was spricht schon dagegen, seine Arbeit auch von Zuhause zu vollrichten? Was bringt es mir im Office zu sitzen, wenn ich keine persönlichen Meetings habe und eigentlich Ruhe brauche, um meinen nächsten Blogbeitrag fertig zu schreiben? Außerdem bin ich doch auch Zuhause jederzeit erreichbar. Jetzt in der vierten Woche Home-Office beginne ich meine Ansichten jedoch zu hinterfragen. Wie effizient ist man im Home-Office überhaupt? Macht es mich glücklich? Welche Vorteile oder auch Nachteile hat es? Was lerne ich aus dieser Situation für die Zukunft? All diese Fragen haben nicht nur mich, sondern auch viele meiner Freunde und Kollegen beschäftigt. Ihre Erfahrungen und wie sich ihre Ansicht zum Thema Home-Office in dieser Ausnahmesituation verändert hat, möchte ich im Nachgang gerne mit euch teilen.

„Vorher hatte man das Gefühl Home-Office wird ungern gesehen“

(Rebecca H., 23 Jahre)

In meinen Gesprächen kam ein Aspekt besonders häufig auf: Zwar war den meisten Mitarbeitern das Thema Home-Office nicht neu und vielen von ihnen wurde die Option von Zuhause zu arbeiten auch schon vor der Krise geboten, in der jeweiligen Unternehmenskultur wurde diese Flexibilität allerdings nur zum Teil gelebt. Einige Mitarbeiter hatten das Gefühl Home-Office sei ungern gesehen und würde nicht ohne handfesten Grund wie einem Handwerkerbesuch genehmigt werden. Als Folge daraus, haben viele Mitarbeiter die Möglichkeit verpasst, schon vor der Krise wichtige Erfahrungen im Home-Office sammeln zu können, um produktiv von Zuhause arbeiten zu können. Das betrifft zum Beispiel das Schaffen der technischen Voraussetzungen oder die Grenzziehung von Arbeits- und Privatleben. Vielen fällt es schwer, nach dem Feierabend abzuschalten. Für sie verschwimmt die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben im Home-Office zunehmend (IAB Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 2019).

„Man hat erwartet, dass man im Home-Office unproduktiver und schneller abgelenkt ist“

(Fabian M., 27 Jahre)

Viele der Befragten zeigten sich vor der Krise aber auch selbst skeptisch gegenüber dem Thema Home-Office. Auch wenn sie sich grundsätzlich als Befürworter für flexibles Arbeiten sehen, haben sich einige trotzdem bewusst dagegen entschieden. Sie befürchteten, im Home-Office sei man unkonzentrierter, schneller abgelenkt und als Folge daraus auch unproduktiver. Diese Erwartung hat sich in der Krise jedoch nicht bestätigt. Schafft man es sein Privatleben auch räumlich von seiner häuslichen Arbeitswelt abzugrenzen, mit Zeitmanagementsystemen zu arbeiten, regelmäßig Pausen einzulegen und im kontinuierlichen Austausch mit seinem Team zu stehen, dann leiden die Ergebnisse nicht unter dem Home-Office. Der Umgang damit muss allerdings gelernt sein.

„Kommunikation im Team ist extrem wichtig“

(Nele S., 24 Jahre)

Eine Erwartungshaltung, die sich im Home-Office aber durchaus bestätigt hat, ist die elementare Bedeutung von Kommunikation. Tägliche Updates im Team sind unabdingbar, um sich untereinander abzustimmen, Kapazitäten zu erfassen und sich gegenseitig zu unterstützen. Viele der Befragten gaben an, die Kommunikation und der Austausch innerhalb des Teams habe sich in der Krise sogar erhöht. Interessant ist auch die Beobachtung, dass sich vor allem der Anteil der direkten Kommunikation im Home-Office immens gesteigert hat. Während viele Informationen im Office trotz der physischen Anwesenheit der Kollegen gerne per Chat-Nachricht kommuniziert wurden, wird im Home-Office häufiger telefoniert. Eine erfreuliche Entwicklung, von der abzuwarten bleibt, ob sie auch nach der Krise Bestand haben wird.

„Das persönliche Miteinander leidet“

(Linda K., 26 Jahre)

Auch wenn das Home-Office, besonders in außerordentlichen Situationen wie wir sie heute vorfinden, extreme Vorteile bietet, hat es auch große Nachteile. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Wir brauchen das soziale Miteinander, die Gesellschaft, den Austausch untereinander. Die soziale Isolation, mit der wir uns heute konfrontiert sehen, ist für die meisten von uns ungewohnt. Trotz der virtuellen Kaffeepausen oder Lunch Verabredungen fehlt den meisten der persönliche Kontakt zur Familie, den Freunden und auch den Kollegen. Langfristiges Home-Office ist für die meisten daher keine Option, darauf angemessen vorbereitet zu sein, schadet trotzdem niemandem.

Learnings

Auch wenn wir uns aktuell in einer Ausnahmesituation befinden, können wir aus diesen Beobachtungen Learnings für den Umgang mit Home-Office ableiten, die auch nach der Krise noch Bestand haben werden:

 

Home-Office ist eine Kulturfrage

Viele Agenturen und Unternehmen werben mit flexiblen Arbeitszeiten und Home-Office um die Gunst der Bewerber auf dem Arbeitsmarkt. In den wenigsten Fällen werden diese Freiheiten aber auch wirklich gelebt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Mangelnde Erfahrung, fehlendes Vertrauen, Kontrollverlust, Scheu und die Angst davor Neues auszuprobieren (IAB Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 2019). An dieser Stelle müssen die Arbeitgeber aktiv werden. Ein kultureller Wandel findet nicht von allein statt. Es ist ihre Aufgabe eine positive Grundstimmung und Akzeptanz für das Thema Home-Office zu schaffen und das über alle Ebenen hinweg. Nur so können die Mitarbeiter von den Benefits, die ihnen ihr Arbeitgeber bietet, uneingeschränkt profitieren ohne sich dabei schlecht zu fühlen.

 

Man muss proaktiv Maßnahmen ergreifen

Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass ein Großteil der Unternehmen nicht angemessen auf die Krise vorbereitet war – besonders im Umgang mit dem Thema Home-Office. Für die Zukunft müssen daher proaktiv Maßnahmen ergriffen werden, um einen reibungslosen Ablauf gewährleisten zu können. Zum einen müssen die technischen Voraussetzungen geschaffen werden: Haben die Mitarbeiter auch von Zuhause Zugang zu den relevanten Tools und Programmen? Halten die Server auch einer erhöhten Nachfrage von extern stand? Zum anderen müssen auch die Mitarbeiter auf diese Situation vorbereitet werden: An welche Regelungen muss ich mich halten? Habe ich die relevante Ausstattung, um auch von Zuhause effizient arbeiten zu können? Welche Tipps und Tricks gibt es, um auch im Home-Office produktiv zu bleiben?

 

Soziales Miteinander beeinflusst persönliches Wohlbefinden

Sei es über Google Hangouts, Microsoft Teams, Zoom, Skype, Slack oder andere Programme, auch in der Krise stehen wir im regelmäßigen Austausch mit unseren Kollegen – zum Teil sogar intensiver denn je. Doch so viele Freiheiten uns das Home-Office auch bietet, es ersetzt nicht das persönliche Miteinander mit den Kollegen. Aber das soll es auch gar nicht. Das Home-Office ist eine Option, seinen Arbeitsalltag flexibel zu gestalten. Inwiefern das jeder einzelne von uns tut, bleibt ihm überlassen. Fakt ist jedenfalls, dass es die meisten von uns nicht erwarten können, ihre Kollegen wieder in die Arme zu schließen – und das ist vermutlich der wichtigste Insight in diesem Beitrag.

 

Auch ich kann es kaum erwarten, wieder ins Office zu kommen. Meine anfängliche Euphorie am Morgen eine halbe Stunde länger zu schlafen und sich in der Mittagspause endlich mal gesund zu ernähren statt zum Lieblingsvietnamesen um die Ecke zu gehen, ist relativ schnell verflogen. Ich vermisse die spontanen Gespräche in der Kaffeeküche, das Feierabendbier in der Bar um die Ecke oder das gemeinsame Workout nach einem anstrengenden Arbeitstag. Ich vermisse sogar die täglichen Fahrten in der überfüllten U-Bahn. Aber auf diese Dinge gilt es aktuell zu verzichten und das tue ich gerne, denn die vorübergehende soziale Isolation ist wichtig und richtig – und wie gesagt, sie ist nur vorübergehend. Bis dahin, passt weiterhin auf euch auf & bleibt gesund. Bis bald!

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